Graffiti – ist das Kunst oder kann das weg?

Woran denken Sie, wenn Sie das Wort Graffiti hören? Als Hauseigentümer kommt Ihnen Vandalismus in den Sinn – der Haus- und Grundbesitzerverband schätzt die Kosten für die Entfernung von Graffiti auf eine halbe Milliarde Euro jährlich. Als Bahnfahrer gehen Sie durch beschmierte Unterführungen, setzen sich in einen verunstalteten Zug und schauen (wenn das Fenster nicht zugesprüht ist) auf endlose Kilometer Lärmschutzwände mit entsprechenden „Kunstwerken“.

Auch Street Art ist Graffiti

Aber sind die Anführungszeichen um die Kunstwerke wirklich gerechtfertigt? Das unerlaubte Anbringen von Graffiti ist Sachbeschädigung, also eine Straftat. Aber wäre die Lärmschutzwand ohne Graffiti wirklich attraktiver? Vieles, was dort zu sehen ist, hat künstlerische Qualität. Und das Style Writing „Geht ein Zyklop zum Auge-Arzt“ amüsiert im Bahnhof Köln Ehrenfeld immer noch die wartenden Fahrgäste. Würden Sie den mittlerweile weltbekannten, aber anonymen Street Art Künstler Banksy als Vandalen verhaften lassen, wenn er ein Werk auf Ihrer Hausfassade platziert?

Ein neuer Blick auf Graffiti

Banksy hat mit seiner Medienpräsenz wesentlichen Anteil daran, die künstlerische Seite von Graffiti in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. Keith Haring ist das nicht gelungen, obwohl er einer der Begründer dieser Kunstrichtung ist. Sein Name ist zwar seit den 1980er Jahren bekannt, aber heutige Kunst im öffentlichen Raum wird kaum mit seinen Subway Drawings aus dieser Zeit in Verbindung gebracht. Für einen Banksy auf Leinwand werden mittlerweile einige hunderttausend Dollar aufgerufen. Aber es geht auch deutlich preisgünstiger. Wenn weniger prominente Graffiti Künstler Preise aufrufen, beginnen die Angebote für kleinere Flächen bereits im dreistelligen Bereich, zum Beispiel für das Gestalten eines Garagentors. Wohlgemerkt, das ist der Preis für ein Graffito (so der im Italienischen korrekte Singular, Graffiti ist bereits Plural und braucht dafür – genau wie Spaghetti – kein angehängtes „s“), das sich als Kunstwerk versteht. Sie bekommen als „Kunst aus der (Sprüh )Dose“ ein Unikat, das auf Ihre Fläche abgestimmt ist – übrigens nicht nur draußen, sondern auch in Innenräumen.

Der beste Fassadenschutz

Ein echter Graffiti-Künstler ist zugleich Handwerker. Er fertigt nicht nur den zu Kundenwunsch und Fläche passenden Entwurf per Handskizze oder am Computer. Er muss auch prüfen, welcher Untergrund vorhanden ist und welche Ausrüstung benötigt wird – von den Spraydosen bis hin zum Gerüst. Stellen Sie sich einfach ein klassisches Gemälde gleicher Größe vor – Michelangelo Buonarotti soll an den Fresken der Sixtinischen Kapelle vier Jahre gearbeitet haben, wenn auch mit einem Jahr schöpferischer Pause. Im Vergleich dazu ist selbst ein großes Graffito, das in dreißig oder vierzig Stunden fertig wird, ein Schnäppchen. Nun haben Herstellungskosten und künstlerischer Wert wohl nichts miteinander zu tun. Über letzteren kann man trefflich streiten – man denke nur an die Aktion des Berliner Kollektivs Cuadro Frezca, das in Hannover steil aufragende Felswände auf ein Hochhaus malte und damit den Börsenkurs des Immobilienunternehmens verewigte, sehr zu dessen Ärger, stellte es doch unfreiwillig die Fläche zum Protest gegen Mietsteigerungen bereit. Eines ist aber ziemlich sicher: Der Ehrenkodex der Sprayer verbietet es, das Werk eines anderen zu übermalen. So ist Kunst am Bau der wohl wirksamste Schutz gegen Vandalismus.

Photo by Quino Al on Unsplash

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